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Wie angekündigt, folgt direkt der zweite und letzte Teil der Austauschrunde mit meiner lieben Kollegin Catalina. Viel Spaß beim Weiterlesen!



Autorentalk Part 2


Liebe Catalina, gibt es etwas, das dich in einem Buch richtig schockieren kann? Etwas, wo du am Ende laut NEIN! brüllen möchtest?


Catalina: Über so ein Ende würde ich mich ehrlich freuen, selbst wenn der Prota dabei draufgeht. Ich lese nicht, um in eine plüschige, rosarote Welt zu entkommen, sondern um mich von der Story überraschen zu lassen. Happy Ends, die mit Gewalt in die Geschichte gedengelt werden, lassen mich unbefriedigt zurück. Dass richtig gute Liebesromane nicht zwingend zuckersüß enden müssen, haben Jojo Mojes und Daniel Glattauer sehr erfolgreich bewiesen. Es gab bisher nur einen einzigen Roman, den ich abbrechen musste, weil er mir an die Nieren ging. Das war DIE HUNDE DES SCHWARZEN TODES von Richard Adams, wo u. a. ein Tierversuch an einem Hund aus der Sicht des Hundes beschrieben wurde, der überhaupt nicht verstand, was mit ihm geschah. Vor meinem glamourösen Dasein als selbstständige Kreative war ich Polizeibeamtin in einem der damals berüchtigsten Brennpunkte Deutschlands. Menschliche Abgründe sind mir also nicht fremd. Ich habe einige Dinge erlebt und gesehen, die mich bis heute verfolgen und die in einem Roman zur sofortigen Sperrung des Buches führen würden. Daher tu ich mich mitunter mit Dark Romance-Büchern schwer, in denen Gewalttätigkeit unreflektiert als hotter männlicher Charakterzug definiert wird und sexuelle Grenzüberschreitung höchstens einen Orgasmus zur Folge hat. In der Fiktion ist alles erlaubt, sogar der leichtfertige Umgang mit grenzwertigen Themen zu Unterhaltungszwecken. Wir dürfen jedoch niemals vergessen, wie mächtig das geschriebene Wort sein kann. Erschreckend viele Männer sind beispielsweise überzeugt, dass Frauen insgeheim auf harte, dominante Kerle und Gewalt beim Sex stehen – warum sonst lesen sie Dark Romance oder BDSM-Romance? Fiktion prägt Ansichten und Vorurteile; es müssen nicht zwingend die eigenen sein. Ich bevorzuge Romane, bei denen ich spüre, dass die Autorin sich mehr gedacht hat als: “Jetzt hau ich mal richtig krass was raus.” Was war eigentlich das seltsamste Buch, das du je gelesen hast?


Juli: Als Polizeibeamtin hat dich da sicher einiges geprägt. Ich bewundere Menschen mit Nerven aus Stahl. Denn ich bin eher der gegenteilige Typ. Ich kann zwar Horrorfilme gucken, aber sobald es echt ist, will ich es nicht mehr sehen, da ich zu sehr mitfühle. Das geht mir richtig nahe, weshalb ich mit gewissen Themen in Büchern ebenfalls vorsichtig umgehe. Und genau wie du, finde ich es furchtbar, wenn die Protagonistin von ihrem Love-Interest körperlich und seelisch misshandelt wird und ihm dann trotzdem hinterherläuft.

Das geht für mich auch absolut gar nicht (und ich meide solche Geschichten tatsächlich). Dann doch lieber Geschichten, wo der männliche Protagonist die Frau rettet oder gar vor Schlimmen bewahrt.

Ich finde, man sollte immer respektvoll miteinander umgehen - egal wer mit wem. Und wenn das nicht klappt, sollte man eine Therapie machen. Therapien sind etwas Großartiges. Aber ich schweife ab. Zurück zu den seltsamsten Büchern, die ich gelesen habe. Da fällt mir spontan Das Mädchen von Stephen King ein. Ich finde King als Person hochinteressant (habe viele Dokus über ihn geschaut) und liebe viele seiner Werke. Doch einige seiner Romane finde ich einfach nur seltsam.

Ich hatte auch einmal eine Geschichte beim Wickel, in der so ein seltsamer Knick in der Handlung war, dass ich dachte, die Autorin hätte versehentlich einen Teil der Geschichte beim Formatieren gelöscht.


Und wo wir bei seltsam sind: Was war das lustigste Erlebnis in deiner Autorenlaufbahn?

Catalina: Vermutlich der Moment, als auf der Frankfurter Buchmesse eine Frau wegen mir in Ohnmacht gefallen ist. Ich war überzeugt, sie hätte mich mit einer richtigen Berühmtheit verwechselt, vielleicht mit J.K. Rowling. Aber nein – meine Leibhaftigkeit hat sie aus den Socken gehauen. Nachdem wir ihr wieder auf die Beine geholfen hatten, entpuppte sie sich als Fan der ersten Stunde. Dann war da noch der alte Mann, der zu mir sagte: “Ihr Schreiberlinge seid doch alle Lügner und macht die Leute völlig irre mit euren erfundenen Geschichten.” Tja, wo er recht hat … Witzig war auch die Entstehungsgeschichte von SEVEN SINNERS. Die Idee zu der Story habe ich drei besoffenen Rockern zu verdanken, die ich nach einer winterlichen Party nach Hause gefahren habe. Irgendjemand dachte laut und sinnfrei darüber nach, was wohl geschehen würde, wenn man einem wütenden Stier Marihuana zu fressen gibt. Zack – Weihnachtsroman.

Und wie sieht es bei dir aus? Hattest du schon skurrile Erlebnisse? Wurdest du z.B. schon mal im Supermarkt erkannt?


Juli: Das klingt alles so lustig. Ich habe gerade sehr gelacht.

Im Supermarkt bin ich zu meinem Glück noch nicht erkannt worden. Denn seien wir ehrlich: Wer will schon gedankenverloren und halb im Tiefkühler zwischen Gemüse und Hähnchen oder beim Klopapierkauf entdeckt werden?

Haha, da gibt es schönere Orte für ein Treffen.

Mein kuriosestes Erlebnis hatte ich auf der Poststelle. Ich verschicke dort regelmäßig signierte Taschenbücher für meine Leser, weshalb ich durch mein ständiges Auftauchen die Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe und ich mit den Damen hinter dem Schalter ins Gespräch gekommen bin. Eine von den Ladys wollte dann den Mindbreaker signiert haben, sodass ich ihr direkt diesen Wunsch erfüllt habe.


Und wo wir von Wünschen und Meinungen anderer sprechen: Was denkst du eigentlich, was deine Klassenkameraden heutzutage über dich sagen würden? Catalina: “Sie war schon immer etwas seltsam.” Ehrlich gesagt habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht, was andere über mich denken, da ich schon in jungen Jahren wusste, welches Leben ich nicht führen möchte. Ich bin in einem extrem konservativen Umfeld aufgewachsen; meine Familie mochte es gar nicht, dass ich so viel las, weil es mir Flausen in den Kopf setzte. Sie hätten es lieber gesehen, wenn ich wie meine Schulkameradinnen brav irgendeine Ausbildung gemacht hätte, um mich bis zur Heirat und Geburt der mindestens zwei Kinder zu beschäftigen. Studium? “Unsinn! Sobald du Kinder hast, bleibst du doch sowieso zu Hause.” Spoiler: Ich habe keine Kinder und wollte nie welche. Bücher und Kunst haben mich von Klein auf angefixt und nie mehr losgelassen. Es ist sehr, sehr schade, dass in unserem Bildungssystem wenig Raum für die Förderung kreativer Neigungen ist, sondern Kinder und Jugendliche “nach Schablone” geformt werden, um was Anständiges zu arbeiten. In Skandinavien hingegen werden musikbegeisterte Kids in der Schule gefördert, können dort kostenlos Instrumente lernen und Proberäume benutzen – und daraus entstehen dann berühmte Bands wie Mando Diao, ABBA oder Kent. In den USA wird kreatives Schreiben als souveränes Handwerk gelehrt, während hierzulande die Autoren von Unterhaltungsromane mit Goethes Faust beworfen werden. Ich bin froh um jeden Kreativen, der sich gegen den Strom stemmt und unsere Welt bunter, erträglicher und spannender macht, egal ob er nun Zierkissen designt, Romane schreibt oder Spiele programmiert. Daher bin ich unendlich dankbar fürs Selfpublishing! Hier können wir Autoren unsere eigenen Welten erschaffen und uns darin austoben. Die erfolgreiche Wiederbelebung des Science Fiction-Genres haben wir einigen SP-Autoren zu verdanken, die von Verlagen abgelehnt wurden, welche das Genre als tot abgeschrieben haben. Ich habe großen Spaß daran, die Cover, die Illustrationen und das Merch rund um meine Romane selbst zu gestalten. Bei den Goodies achte ich darauf, dass sie einen nützlichen Mehrwert haben. Für TALES FROM THE NIGHT MARKET, wo es u.a. um Straßenköche geht, habe ich beispielsweise eine spezielle Currymischung in einem hübsch gestalteten Reagenzglas herstellen lassen und an die Blogger verschenkt, für DIE FARBE DEINER LÜGEN habe ich ein spezielles Merkbuch designt, wie es auch im Roman vorkommt. Früher dachte ich, dass ein gutes Buch sich auch ohne Merch verkaufen wird. Inzwischen weiß ich, dass viele Leser es mögen, wenn die Geschichte nicht nur als Text in ihrem Alltag weiterlebt, sondern z.B. als schmucke Büchertasse oder Tragetasche immer bei ihnen ist.

Was war das lustigste/verrückteste Merch, das du zu einem Buch produziert hast?


Juli: Wir haben auch hier viele gleiche Auffassungen.

Ich habe einen Sohn, der mir die Welt bedeutet und der ein absolutes Wunschkind ist. Aber diese Schablonen von vorgefertigten Familienmustern und Lebensmodellen, von denen du sprichst, finde ich auch schrecklich belastend. Denn ein Kind bedeutet eben nicht nur Abenteuer, sondern auch jede Menge Herausforderungen. Und wer das nicht wirklich für sich möchte, für den wird dieser Weg zur echten Zerreißprobe. Warum unglücklich sein? Jeder sollte sein Leben völlig vorurteilslos so gestalten dürfen, wie er mag und dabei (wie du so schön geschrieben hast) in seinen Stärken gefördert werden.


Ich habe allerdings sehr viele Bücher aus dem Amerikanischen zum Thema kreatives Schreiben gelesen und auch schon festgestellt, was die für tolle Kurse in den USA haben. Falls jemand so etwas mal in Deutschland macht: Kontaktiert mich!

Und ja, das liebe Merchandise-Thema: Im Großen und Ganzen habe ich davon tatsächlich recht wenig und tue mich da immer schwer. Denn für mich persönlich braucht es eben nur ein richtig gutes Buch. Den Kram drumherum brauche ich gar nicht. (Habe mir noch nie Buch-Merch selbst gekauft.)

Aber ich möchte meinen Lesern gern etwas bieten, weshalb ich für den Mindbreaker einiges produziert habe und sicher auch künftig ab und an etwas anbieten werde. Ich weiß nur oft nicht so genau was, da ich nicht sinnlos produzieren möchte, sodass die Dinge am Ende in der Schublade landen und verstauben. Vermutlich spielt hier auch meine minimalistisch angehauchte Denkweise mit rein. ‘Unnütze’ Dinge haben bei mir keine Chance, die werden gleich weiterverschenkt und die miste ich regelmäßig aus. Die wenigen, mir wichtigen Dinge, sollen Raum und Platz haben.

Deswegen habe ich gar kein verrücktes Merchandise. Aber wer weiß, vielleicht erfinde ich mal eine Kaffeemaschine mit Toast- und Backfunktion für die kommenden Geschichten. Das wäre (meines Erachtens) nützlich. 😉


Bleiben wir doch beim Thema Veränderung: Was würdest du auf dem Buchmarkt verändern/anpassen, wenn du die Macht dazu hättest?

Catalina: Mir würde es schon reichen, wenn der deutsche Buchmarkt von seinem elitären Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Ross steigt und sich mehr öffnen würde. Traurigerweise muss man sagen, dass es ohne Amazon kein Selfpublishing in Deutschland gäbe und damit die Vielfalt des Buchmarktes erheblich eingeschränkter wäre. Verlage würden dann weiterhin bestimmen, was wir zu lesen bekommen; viele Manuskripte, die nicht ins Programm passen, würden niemals veröffentlicht werden. Im Selfpublishing entscheidet allein der Leser, was ihm gefällt. Auch Romane, über die ein renommierter Verlag die Nase rümpfen würde, haben ihre Daseinsberechtigung, denn sie animieren möglicherweise Menschen zum Lesen, die früher einen großen Bogen um Bücher gemacht haben. SP hat zudem den Vorteil, dass Autor und Leser in direkten Dialog gehen können. Ich glaube, wir sind jetzt am Ende unserer Talkrunde angelangt. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit dir zu plaudern und dich näher kennenzulernen!


Juli: Ich danke dir ebenfalls von Herzen. Mir hat unser Talk auch viel Freude bereitet und ich bin gespannt, was der Markt uns künftig noch bieten wird. Gerade im amerikanischen SP-Bereich habe ich nämlich echte Perlen entdeckt. Für mich ein Anreiz, weiterhin hart an mir und meiner Tätigkeit als Schriftstellerin zu arbeiten.

Man lernt nie aus und es gibt immer neue Überraschungen. Eine Catalina mit spannungsgeladenen, tollen Storys ist uns im deutschsprachigen Raum aber zum Glück sicher. Da geht der Lesestoff nie aus.



Weihnachtsüberraschung


Kurz vor Jahresende habe ich noch einmal eine großartige Überraschung für euch. Denn nachdem mich die wunderbare Catalina Cudd dieses Jahr schon einmal ausgiebig zum Mindbreaker interviewt hat, durfte ich jetzt einen richtig tollen Autorentalk mit ihr führen, bei dem wir uns die lustigsten und verrücktesten Fragen zugeworfen haben. Vom Schreiben bis hin zu unglaublichen Erlebnissen haben wir uns über alles Mögliche ausgetauscht und dabei den geplanten Rahmen gesprengt, weshalb der Talk nun in 2 Teilen veröffentlicht wird.


Ich wünsche euch jede Menge Spaß beim Lesen von Teil 1. Der 2. Teil folgt unmittelbar in den nächsten Tagen.



Autorentalk Part 1

Gab es einen springenden Punkt, der dich zum Veröffentlichen deines ersten Romans gebracht hat? Eine Erleuchtung? Reine Intuition? Catalina: Das Wort ENDE unter meinem Manuskript. Als ich den ersten Satz tippte, hätte ich nie gedacht, irgendwann (knapp anderthalb Jahre später) den Punkt zu erreichen, an dem ich eine fertige Geschichte vor mir habe. Ich habe halt immer geschrieben, meist nur Szenen oder Kurzgeschichten, aus purem Spaß. Wenn man so viel liest wie ich, setzt man sich irgendwann hin und versucht es selbst. Die Story ist dann ohne mein Zutun gewachsen und wurde immer präsenter in meinem Kopf. Zwischendurch habe ich mit den üblichen Zweifeln gekämpft und mich gefragt: Wer will sowas überhaupt lesen? Dann dachte ich mir: Was kann schon groß passieren, außer dass es niemand kauft? Ich hab’s fertig gemacht und in Eigenregie veröffentlicht. Auf die Idee, mir einen Verlag für DIE ARMEE DER TAUSEND SÖHNE zu suchen, bin ich witzigerweise überhaupt nicht gekommen. Ich habe gern alle Zügel in der Hand, das geht bei einem Verlag nicht ohne Weiteres. Hast du denn bei deinem Erstling sofort gewusst, wo und wie du ihn veröffentlichst? Wie bist du an die Sache herangegangen? Und was war dein Grund, erstmals ein Buch zu veröffentlichen?


Juli: Sehr interessant. Mein Weg war tatsächlich ganz anders als deiner.

Ich habe auch schon immer sehr viel gelesen. Meine Großeltern waren beide Lehrer und haben mich von klein auf mit gutem Lesestoff versorgt. Aber mir ist nie in den Sinn gekommen, selbst zu schreiben, bis ich mich Ende 20 irgendwann gefragt habe, wo der Erfolg von einigen Romanen herkommt, die – in meinen Augen – nicht besonders gut sind.

Ich dachte: Wenn das Buch mit so einer simplen Story und Wortwahl so einen Erfolg hat, kann ich das auch und los ging es.

Dass es wesentlich komplizierter ist, ein anspruchsvolles Buch zu schreiben, habe ich dann schnell gemerkt. Ich habe Dokus übers kreative Schreiben geschaut, Blogbeiträge und Bücher gelesen und angefangen zu plotten und ganz viel zu schreiben. Die Bone Hunters wollten dann scheinbar unbedingt veröffentlicht werden, da sie mich nicht mehr losgelassen haben.

Und über einen Verlag habe ich anfänglich tatsächlich einmal nachgedacht, aber die Idee schnell wieder verworfen, als ich das Selfpublishing für mich entdeckt habe. Ich bin da ein kleiner Kontrollfreak und möchte bei meinen Geschichten das Sagen haben: was steht im Buch, wie sieht es aus, was kommt aufs Cover … Als gelernte Grafikdesignerin habe ich gerne Einfluss auf diese Dinge.


Das bringt mich gleich zur nächsten Frage:

Wie haben sich deine Ein- und Vorstellungen im Laufe der Jahre zum Schreiben verändert?

Catalina: Ich schreibe weiterhin, was ich selbst gern lesen würde, nicht, was gerade angesagt ist. Umso kurioser ist, dass ich damals unerwartet mit LUCKY BASTARD einen Rocker-Romance-Trend losgetreten habe. Inzwischen gibt es jede Menge solcher Romane aus deutscher Feder. Mein Alleinstellungsmerkmal bei dieser Reihe ist jedoch die Szenekenntnis. Ich fahre selbst Harley und mein Lebenspartner sowie viele Freunde gehören der Rockerszene an. Mit dem Erfolg wächst der Druck von außen, die Leser schnellstmöglich mit Nachschub zu versorgen. Ich musste lernen, diesen Druck zu ignorieren und mein Ding zu machen. Der Buchmarkt ist sehr schnelllebig geworden. Das wirkt sich insgesamt auf die Qualität der SP-Bücher aus; viele Bücher ähneln sich inhaltlich mittlerweile stark und die kreative und auch stilistische Vielfalt leidet darunter. Ich glaube, dass die Leser mittlerweile selbst genervt sind vom Einheitsbrei. Es liegt an uns Autoren, sie zu verblüffen, sie herauszufordern und sie in völlig neue Storys zu entführen, die sie so schnell nicht vergessen werden.

Hat sich dein Blick auf den SP-Buchmarkt und auf das Schreiben seit deinen Anfängen verändert?


Juli: Ich habe im August 2020 mein erstes Buch veröffentlicht und schreibe tatsächlich erst seit 2016/17, weshalb ich sicher nicht so einen Weitblick wie du habe. Aber mir ist auch aufgefallen, wie sich der Buchmarkt im Laufe der letzten beiden Jahre verändert hat.

Plötzlich waren da ganz viele Leute, die geschrieben und sehr viel veröffentlicht haben. Ich kann nur jedem ans Herz legen, seine Träume zu verwirklichen (was harte Arbeit und viel Fleiß ist). Doch ich sehe es genau wie du: Es gibt sehr viele Autoren, die das schnelle Geld wittern und nur irgendwas Fixes ohne Liebe auf den Markt knallen. Das ist traurig und verärgert viele Leser.

Was wem gefällt, sei erst einmal dahingestellt. Aber ich persönlich habe ebenfalls eine Vorliebe für außergewöhnlichen Stoff, weshalb ich gerade wieder an einem recht besonderen Werk arbeite. Und das dauert natürlich, weil es viel Recherche braucht. Ich werde wohl tatsächlich nie eine Autorin sein, die mehr als 3 oder 4 Bücher im Jahr herausbringt. Viele meiner Ideen reifen über einen längeren Zeitraum und ich überlege haargenau, wie ich Dinge ausdrücken oder darstellen möchte. Ich stehe mir da manchmal selbst beim schnellen Veröffentlichen im Weg, was nicht schlimm ist, da ich allgemein mehr Wert auf Qualität statt Quantität lege.

Und genau wie du hoffe ich, dass die Leserschaft für originelle Bücher offen ist und den Wert und die Liebe hinter diesen Geschichten erkennt. Ich denke außerdem, dass Autoren, deren Liebe man zu ihrem Schaffen spürt und die Durchhaltevermögen besitzen, es auf Langzeit schaffen, richtig groß zu werden.


Apropos Durchhaltevermögen: Was würdest du deinem Schreibanfänger-Ich sagen, wenn du in der Zeit zurückreisen könntest?


Catalina: Zuerst einmal finde ich es total gut, dass du dir Zeit nimmst für dein Projekt. Wir Autoren haben es ja in der Hand, die Ansprüche der Leserschaft zu pflegen, zu füttern und somit den Standard unseres Genres zu setzen. Die Leser merken sehr deutlich, ob das, was ihnen vorgesetzt wird, mal eben hingerotzt wurde, oder ob der Autor sich mit dem Roman ein wenig das eigene Herz herausgerissen und versucht hat, die bestmögliche Geschichte zu schreiben. Was ich meinem Schreibanfänger-Ich sagen würde? Puh, ich glaube ich würde sagen: Lass dir niemals die Magie des Schreibens nehmen! Als Schreibanfänger merkt man gar nicht, wie nach und nach die kreativen Freiräume von nicht-kreativen Dingen in den Schraubstock genommen werden, sobald man ein bestimmtes Profi-Level erreicht hat. Noch bevor man den ersten Satz geschrieben hat, beschäftigt man sich mit dem Veröffentlichungstermin (schaffe ich das Ganze in einem Vierteljahr?), der Wirtschaftlichkeit (ist ein veredelter Auflagendruck mit Farbschnitt bezahlbar?), der inhaltlichen Correctness (ist es sexistisch, wenn die Prota pummelig und unsportlich sein darf, während der männliche Hottie zwingend einen durchtrainierten Body haben muss?), mit Wünschen und Kritik wildfremder Menschen (Bitte mal eine Geschichte mit einem Polizeihund! Bitte mehr Sex! Nein, schreib lieber wieder was mit Fantasy!), über das Marketing (Bloggertour oder Anzeigen schalten?), technische Fragen (Welche Druckerei druckt Taschenbücher über 600 Seiten, ohne dass ich mein Erstgeborenes dafür opfern muss?), der Social Media-Präsenz (Oh Gott, ich habe seit zwei Wochen nichts gepostet! Faktisch existiere ich nicht mehr!) und so weiter. Die eigene Kreativität ist heilig und man muss sie mit Klauen und Zähnen gegen die Außenwelt verteidigen. Daher lautet mein Rat: Cool bleiben und stur sein eigenes Ding machen. Das verlangt eine gewisse Arroganz, die ich als “Autorin zum Anfassen” erst lernen musste. Aber nur auf diese Weise entstehen Romane, die einen mit Stolz erfüllen. Dazu gehört auch, dass man Kritik nicht ungefiltert aus allen Ecken aufnimmt. Unter anderem wurde ich mal von einer Leserin auf Facebook beleidigt, weil mein neuer Roman erst in vier Monaten erscheinen sollte: “Andere Autoren brauchen nur drei Wochen.” Damals hat mich das schwer ins Grübeln gebracht. Heute würde ich sagen: “Okay, Sabine, wenn deine Ansprüche so niedrig sind, werden wir in diesem Leben nicht zusammenkommen.” Erzähl doch mal, welches deiner Bücher dir persönlich (nicht wirtschaftlich) am Herzen liegt und warum! Hat es möglicherweise etwas Besonderes bei dir oder den Lesern ausgelöst?


Juli: Ich sehe, wir schwimmen weiterhin auf einer Wellenlänge. Und Genau: Als Selfpublisher ist man eben nicht bloß Autor, sondern auch eine Marketingmaschine, Vertrieb, Problemlöser, manchmal auch Steuerberater, …

Ich finde es wirklich erschreckend, was sich einige manchmal herausnehmen und schreiben. Ich liebe meine Leser, aber genau wie du, habe ich schon richtig freche Fragen gestellt bekommen.


Und mein persönliches Lieblingswerk unter meinen eigenen Büchern ist bisher der Mindbreaker, da ich dort viele persönliche Aspekte und Dinge verarbeitet habe. Und ich glaube, dass das auch die Leser gespürt haben. Denn nach einem anfänglich holprigen Start, ist die Geschichte richtig durch die Decke gegangen. Viktor und Elaine stehen für etwas Größeres. Sie haben Probleme und Fehler. Aber sie sind bereit, diese anzunehmen und an sich zu arbeiten. Sie hinterfragen ihre eigenen Gedanken. Nicht alles, was man glaubt, ist nämlich auch richtig. 😉


Was ist dein bedeutendstes Werk unter deinen Büchern? Und kommen die Ideen für eine Story eigentlich spontan zu dir oder über einen längeren Zeitraum, indem sie wachsen? Catalina: DAS bedeutende Werk habe ich nicht. Bei der Bullhead-Serie freue ich mich wie ein Schnitzel über die vielen Frauen, die sich von den Romanen inspiriert fühlten, den Motorrad-Führerschein zu machen, sich eine Maschine zuzulegen und eine ganz neue Freiheit für sich zu entdecken. Es sind inzwischen so viele, dass wir glatt einen eigenen Weiber-MC gründen könnten 🙂 Wenn Bücher fremden Menschen einen Anstoß geben, etwas in ihrem Leben zu ändern oder was Neues auszuprobieren, ist das schon besonders. Mein persönliches Herzensbuch ist DIE FARBE DEINER LÜGEN über ein wildes Künstlerkollektiv, das gegen alle Widrigkeiten fest zusammenhält (und so einen Mordfall löst). Die Haupt- und Nebendarsteller würden in unserer Gesellschaft vermutlich als dysfunktional oder überflüssig abgestempelt. Als studierte Illustratorin und Designerin habe ich eine besondere Affinität zu allen unangepassten, kreativen, verrückten und unbequemen Menschen, die unsere Welt so lebendig und farbig machen. Oh, Ideen … Die stürzen unkontrolliert auf mich ein. Manchmal schnappe ich von den Rockern eine verrückte Anekdote auf, manchmal beobachte ich eine verrückte Begebenheit. Die besten Ideen habe ich auf langen Motorradtouren, wenn die Gedanken einfach davonschweben und irgendwann zurückkehren mit: “Hey, lass uns doch mal illegal ein paar Nieren auf dem Schwarzmarkt verschachern!” Ich plotte nicht. Meine Geschichten wachsen aus einer spontanen Eingebung heraus, die sich nach “etwas Großem” anfühlt. Das Schreiben wird so für mich auch zum Abenteuer, weil ich nur vage weiß, wo es enden wird, aber nicht, wie ich dorthin komme. Manchmal strande ich in einer Sackgasse, muss umkehren (und zig Kapitel löschen) und einen anderen Weg finden. Meist überraschen mich meine Charaktere mit unerwarteten Handlungen. Das ist unglaublich spannend!

Wie läuft der Schreibprozess bei dir ab? Bist du Pantser oder sorgfältiger Plotter?


Juli: Oh, die Farben deiner Lügen habe ich auch gelesen und geliebt. Und ich mag auch alles, was mit Kunst zu tun hat und den Alltag bunt macht. Freigeister sind schon etwas Tolles und ich fühle mich mit ihnen verbunden, weil ich ebenfalls keinen normalen Alltag lebe. Klar hat man gewisse Bahnen. Aber mein Drang, etwas zu erschaffen und sich manchmal über Regeln hinwegzusetzen, ist oft recht groß.

Ich finde es schade, wie unsere Gesellschaft einschränkt und welchen Druck sie auf jeden einzelnen ausübt. Man sollte vielmehr auf den Einzelnen eingehen und dessen Talente fördern. Jeder kann seinen Teil beitragen und ist wichtig.

Aber ich bin trotz des Freiheitsdrangs tatsächlich eine penible Plotterin. Ich habe vor den Bone Hunters einmal versucht, ohne Vorplanung zu schreiben und wusste nach 150 Seiten überhaupt nicht mehr weiter. Seitdem durchlaufe ich einen richtigen Ausarbeitungsprozess, der bereits im Vorfeld unglaublich kreativ ist. Ich schaue Dokus. Dann arbeite ich die Grundstory (meist 4 bis 5 Seiten) und die Charaktere aus, wozu ich parallel Bilder auf Pinterest heraussuche und mir Moodboards erstelle. Und dann schalte ich die passende Musik an und beginne eine Szenentabelle zu befüllen. Hier gehe ich zum ersten Mal die Geschichte komplett durch und teile sie in Kapitel und Sichtweisen, fülle Lücken, schaue auf meinem Zeitstrahl, ob alles funktioniert, und komme am Ende meist auf 30 bis 40 Seiten.

Erst dann beginne ich zu schreiben, indem ich mir aus der Tabelle das jeweilige Kapitel ziehe und loslege.

Ein Beispiel hierfür: In meiner Tabelle für Elaine im Mindbreaker steht zum Beispiel:

  • Elaine wird entführt (hat Angst, steht neben sich)

  • sie weiß nicht, wer ihre Entführer sind

  • nach einem seltsamen Ritual, mit dem sie nichts anzufangen weiß, kann sie ihren Entführern entkommen

Das sind alles grobe Punkte, die ich wunderbar ausgestalten kann. Meine Kreativität darf sich richtig entfalten und ich habe meinen Fahrplan, um mich nicht zu weit von der Geschichte zu entfernen.

Manchmal plotte ich die Story sogar noch einmal von hinten nach vorne, bevor ich schreibe.

Meine Detailverliebtheit ist da für einige irritierend.



Das war Teil 1 unseres Autorentalks. Haltet die Augen offen, der 2.Teil steht bereits für euch in den Startlöchern.

  • julivanwinter


Ich freue mich riesig, euch mitteilen zu dürfen, dass es ab sofort eine ganz wunderbare Buchvorstellung zum Mindbreaker mit Autoreninterview bei meiner lieben Kollegin Catalina Cudd gibt: https://catalinacudd.de/buchvorstellung-die-mindbreaker-dilogie-von-juli-van-winter/


Ansonsten hoffe ich, dass ihr das wunderbare Frühlingswetter und die Sonne genießt! Ich nutze jede freie Minute an der frischen Luft, wenn ich nicht gerade an meinem neuen Buch, dem 'Inselroman', arbeite. Hierzu werde ich euch schon ganz bald mehr Infos geben können, da ich plane, diesen zum Ende des Sommers zu veröffentlichen.


Happy Friday!

Juli

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